in Stuttgart - Weilimdorf - Giebel - Hausen
Ostergruß für den 28. April 2020

Ostergruß für den 28. April 2020

Raupenhorizont

Raupenhorizont. Foto: Hans-Martin Goede

Da war ein Mensch, der seinen Garten liebte und alles, was darin war. Auf seinen Rosen saßen Raupen. Sie fraßen ihm die Blätter und die Knospen ab. Aber er wollte sie nicht vernichten. Denn er kannte das Geheimnis der Raupen.

Doch sie kannten ihr Geheimnis nicht. Das musste er bald feststellen. Er begann mit ihnen zu reden, weil er sie liebte. Er wusste ja, was ihnen einmal in Zukunft blühen würde. „Hallo, ihr Raupen,“ sagte er, „ich mag euch. Ihr werdet einmal Schmetterlinge sein. Ihr werdet mühelos umherfliegen und Blüten finden mit kostbarem Nektar, den ihr trinken werdet. Und ihr werdet schön sein, wunderschön, das kann man sich kaum vorstellen.“

Aber die Raupen hörten nicht. Sie fraßen weiter an ihren grünen Blättern und sie konnten gar nicht genug davon bekommen. „Wir und Schmetterlinge!“ dachten sie, „so ein Quatsch! Wozu sollen wir bloß fliegen! Und schön sein! Wir sind grün wie die Blätter und das ist gut so, sonst würden die Vögel uns alle umbringen, wenn wir so eklig bunt wären.“

Der Mann erzählte weiter. Er versuchte, es ihnen klar zu machen. Er versuchte ihnen zu erklären, was Zukunft ist, und dass die Zukunft sie verändern werde. Aber irgendwie ließ sich das in der Raupensprache nicht überzeugend genug ausdrücken. Er versuchte, Vergleiche zu finden. „Es wird sein wie auf einem Feld voller Möhrenkraut!“ – Da nickten die Raupen, das verstanden sie in ihrem Raupenhorizont. Und sie fraßen weiter.

Herkunft unbekannt